Was ich heute im Spiegel gesehen habe, hat das Künstlerherz in mir dann doch sehr empört: Die Galerie Nord in Berlin hat auf die Androhung von Gewalt von Muslimen reagiert und erst ein Bild abgehängt, dann die ganze Ausstellung vorerst geschlossen. Das betreffende
Kunstwerk Objekt ist ein Plakat, auf dem über einem Foto der Kaaba die Worte „Dummer Stein“ stehen. Der Verfasser des Spiegel-Artikels, Michael Sontheimer, meint dazu denn auch, dass es die Künstler sich „ziemlich einfach gemacht haben“, die „Pflicht“ eines modernen Künstlers zur Provokation zu erfüllen.
Dass dieses Plakat heute als Kunst gilt, ist für mich schwer nachvollziehbar. Die Verwandschaft der Worte „Kunst“ und „können“ hat damit nicht mehr viel mit der Praxis zu tun. Kann und darf Provokation das ausschlaggebende – und in diesem Falle alleinige – Argument sein, ein Objekt in die Kategorie ausstellungswürdiger Kunst einzureihen? Zerstört der Hausmeister, der die krakelige, aber provozierende „Ausländer raus!“ – Schmiererei an der Schulwand überstreicht, auch ein Kunstwerk?!?
<Ironie>Sollte ich meine Ablehnung dieses KunstWerkes darin ausdrücken, dass ich eine Webgalerie erstelle mit Bildern von der Dänischen Künstlergruppe („Unfähige Künstler“), der Gallerie Nord („Irrelevantes Museum“) und dem künstlerischen Leiter aus dem Videoclip („Dummschwätzer“)? Oder würde ich dann Gefahr laufen, wegen Beleidigung juristisch belangt zu werden, obwohl ich doch nur meine fundierte Kritik auf kunstvolle Weise intelligent verbreiten wollte?</Ironie>
Wenn – wie verlautbart – die Plakatserie, die auch noch einen orthodoxen Juden zeigt („Dummer Hut“), als Kritik an fundamentalistischen Vertretern aller Religionen verstanden werden soll und ausdrücklich nicht an moderaten Moslems, dann wäre den Künstlern zu empfehlen gewesen, sich Gedanken darüber zu machen, welche Symbolik auf den fundamentalistischen Flügel des Islam hinweist – das zentrale Heiligtum aller Moslems ist dafür denkbar ungeeignet. Fehlte ihnen der Mut, auch christlichen Fanatismus zu kritisieren und die Bibel als „dummes Buch“ zu titulieren? Ein wenig mehr Gespür für die Grenze zwischen intelligenter Kritik und plumper Beleidigung hätte nicht schaden können.
Gewalt fängt nicht erst an, wenn Steine fliegen, sondern schon bei Beleidigungen, was auch Jesus in der Bergpredigt in Matthäus 5,21ff klar stellt. Der gegenseitige Respekt vor anderen Auffassungen, wie ihn der Kommentator im Schlusssatz des Videoclips fordert, ist tatsächlich dringend notwendig. Es bleibt die Frage, ob es tatsächlich Teil unseres „westlichen Verständnisses von Meinungsfreiheit“, von dem „eine Gruppe konservativer islamischer Migranten nicht viel zu halten scheint“ sein kann, dass auch die öffentliche Beleidigung der (religiösen) Meinung Anderer eine zu schützende Meinung ist.
Um Religionsfreiheit geht es dabei gar nicht – diese steht ja „nur“ für das Recht, den eigenen Glauben ausüben zu dürfen. Es geht um die Menschenwürde, die verletzt wird, wenn die tiefste Überzeugung eines Menschen und damit letztlich dieser Mensch selbst öffentlich undifferenziert und plump beleidigt und ausgegrenzt wird.
Wo die Grundrechte Meinungsfreiheit, Kunstfreiheit oder Pressefreiheit mit dem Grundrecht Menschenwürde in Konflikt geraten, ist eine differenziertere Diskussion gefragt als nur Empörung über die Fremden, die unsere Werte nicht teilen; vielleicht wäre die Beschäftigung mit der Frage angebracht, wo uns unsere eigenen Werte abhanden kommen – und wenn überhaupt eines der genannten Rechte pauschal vor den anderen gelten kann, dann ist das meines Erachtens die Menschenwürde.
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