Kategorie: Tagesgeschehen

  • Sieger des gestrigen TV-Duells…

    CDU-Kandidatin Angela Merkel
    CDU-Kandidatin Angela Merkel
    SPD-Kandidat Frank-Walter Steinmeier
    SPD-Kandidat Frank-Walter Steinmeier

    …waren beide Kombattanten – so ihre jeweilige Partei. Natürlich. Denn wie auch Anne Will im Nachhinein feststellte: Wer hinterher zum Sieger erklärt wird, spielt für uns Wähler eine fast noch wichtigere Rolle als der eigene Eindruck des Duells. Um die Meinung „der Medien“ zu hören, hatte sie extra Hans-Ulrich Jörges vom Stern eingeladen. Und ich stelle wieder einmal fest, dass die ARD mit dem Wort Medien nur die anderen meint. Jedenfalls: Dass CDU und SPD gar nicht anders können, als ihre(n) jeweiligen Vertreter(in) zum/zur Sieger(in) zu erklären, versteht sich von selbst und wäre in meinen Augen keine Nachricht gewesen.

    In gewisser Hinsicht empfand ich auch beide als Sieger – Verlierer waren die vier „Moderatoren“. Allen voran Frank Plasberg, aber die anderen standen dem „hart, aber fair„-Mann nicht groß nach . Anstatt eine Diskussion zwischen den beiden anzuregen und zu moderieren, versuchten sie, die Kanzlerkandidaten ins Kreuzverhör zu nehmen. Sie unterbrachen sofort, wenn Merkel oder Steinmeier womöglich einen Gedanken entfalteten, anstatt kurz und präzise dem Verhörenden die erwünschte und vorgegebene Antwort zu geben. Ich hatte geradezu den Eindruck, am Liebsten hätten die vier die Regel eingeführt, dass die beiden Kandidaten nur mit „Ja“ oder „Nein“ antworten dürfen.

    Außerdem waren die „Moderatoren“ stets bemüht, von einer moderaten, inhaltlichen Auseinandersetzung zu einem möglichst giftigen, unsachlichen, polemischen Talkshow-Abklatsch zu kommen. Gut, ein wenig mehr Leidenschaft würde ich mir auch wünschen, aber ansonsten empfinde ich ein Gespräch über Politik – anstelle stupider verbaler Angriffe – als einen Sieg für eine gute politische Kultur über die „Streikultur“ auf Kindergartenniveau, die wir in Polit-Talkshows oder bei öffentlichen Bundestagsdebatten sonst manchmal sehen müssen. Weder Steinmeier noch Merkel ließen sich auf die Versuche der vier Antreiber ein, das Niveau ihres Gesprächs zu senken – was natürlich auch in der Nachbereitung der Sendung von allen Fernsehschaffenden bedauert wurde. Von mir nicht. Und hätte man die beiden miteinander statt mit vier Polit-Talkern und Nachrichtensprechern auf einmal reden lassen, wäre es auch zu einem noch besseren, wenn auch sachlichen, Gespräch zwischen den beiden gekommen, das das Wort Duell verdient gehabt hätte.

  • Den Wohlstand verteidigen, den wir haben

    Am gestrigen Wahlabend waren auf diversen Fernsehsendern unterschiedliche politische Talkgruppen versammelt und betrieben Wahlkampf für den nächsten Wahlsonntag sprachen über die Wahlausgänge. Und überall ging es natürlich auch um die Frage, ob die Linkspartei nun ein möglicher Koalitionspartner für andere sei, in den Ländern, um die es gestern ging, oder auch im Bund, um den es in 27 Tagen geht. Bei Maybritt Illner im ZDF bezweifelte der FDP-Ehrenvorsitzende Hans-Dietrich Genscher dies, indem er behauptete, die Linkspartei unternehme „eine Fundamentalopposition gegen die Europäische Einigung„. Nun wäre es ja eine geradezu irrwitzige Behauptung, der Sozialismus sei eine Bewegung, die gegen internationale Zusammenarbeit gerichtet sei und sich gegen eine europäische Einigung wehre. („Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“). So wandte Jürgen Trittin von den Grünen auch prompt ein, wenn er sich Sorgen um Europa mache, sei seine Sorge um die europafeindliche Haltung der CSU größer als um die der Linken. Die Vertreterin der Linkspartei, Katja Kipping, wurde erst 8 Minuten später – nach allen anderen Teilnehmern der Runde – von der Moderatorin aufgerufen, und bekam Gelegenheit zu erwähnen, WARUM ihre Partei dem Vertrag von Lissabon nicht zugestimmt habe – zum einen, weil sie der dort geforderten Aufrüstung Europas skeptisch gegenüber stehen, zum anderen, weil sie sich eine Abstimmung des Volkes darüber gewünscht hätten – was daran nun europafeindlich sei, wolle sie doch von Herrn Genscher wissen. Dem fiel nichts besseres ein, als zu sagen, das Wort „Europafeindlich“ habe er nicht verwendet. Stimmt. Auch wenn er Herrn Trittin nicht wiedersprochen hatte, als der damit seine Aussagen zusammenfasste. Aber „Europafeindlich“ würde Herr Genscher ja nie sagen. „Fundamentaloppositionell“ klingt ja auch viel netter und eleganter. Und ganz nett und elegant machte er sie auch darauf aufmerksam, dass sie „wirklich etwas falsches gesagt“ habe: „Nämlich dass im Lissabon-Vertrag steht, dass wir aufrüsten sollen. Das ist nun wirklich eine Erfindung“. Oder zumindest eine Umformulierung, Herr Genscher. Denn wer würde in einen EU-Vertrag schreiben „Ihr sollt aufrüsten!“ Nein, da formuliert man das so: „Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern.“ (hier nachzulesen im zweiten Absatz) Dass von einer europäischen Armee die Rede ist, gibt Herr Genscher zu, findet aber, „eine Europäische Armee KÖNNTE auch einen Vorteil haben.“ Das Gespräch wandte sich darauf hin wieder dem eigentlichen Thema, der Regierungsbildung in den Ländern zu, bis Thomas Oppermann von der SPD nochmal erläuterte, warum eine Koalition mit der Linkspartei im Bundestag für die SPD ausgeschlossen bleibt – und sprach diesen „bemerkenswerten“ Satz: „Ich glaube, dass die Einbindung in die westliche Welt, in die Sicherungssysteme, in die Europäische Union, da gebe ich Herrn Genscher absolut recht, für uns, für die Möglichkeit, den Wohlstand zu verteidigen, den wir haben,“ hier stockte er kurz, merkte, was er da gerade sagte und ergänzte elegant „und auch friedensstiftend in der Welt zu wirken, von herausragender Bedeutung ist.“ Auf die Gefahr hin, dass Herr Genscher sagt „So hat das Herr Oppermann nicht gesagt!“: Wir brauchen die EU – und eine Europäische Armee – also zu dem Zweck, unseren Wohlstand zu verteidigen. Um unseren wohl verdienten, in Kolonialismus, neokolonialistischer Wirtschaft und mithilfe amerikanischer Marshallplan-Gelder hart erarbeiteten Wohlstand zu verteidigen, gegen die Schmarotzer, die ihn bedrohen. Für die Verteidigung unseres Wohlstandes geben wir in Deutschland mehr als fünfmal so viel aus wie für die Verbesserung des Wohlstandes in anderen Gegenden. Das klingt natürlich nicht so gut in den Ohren unserer Menschenfreundlich geprägten Wähler, also nennen wir es normalerweise „Friedensstiftend“. Mir waren nach diesem Satz von Thomas Oppermann zwei Dinge klar: Zum einen, dass ich mal wieder blogge, zum anderen, dass die Linkspartei bei weitem nicht die schlechteste Option am 27. September ist – grade auch weil die anderen vier „Großen“ sie wegen ihrer Haltung zum Militär als „politisch untragbar“ einstufen.

  • Gewaltbeförderung

    Heute hörte ich im Radio, dass unsere Bundesbildungsministerin laut darüber nachdenkt, darüber nachdenken zu wollen, wie gewaltbefördernde Elemente im Internet eingedämmt oder blockiert werden können. Nun will ich mich gar nicht darüber lustig machen, wozu wir eine Bundesbildungsministerin benötigen, da Bildung doch nach wie vor Ländersache ist. Vor allem stimme ich ihr darin ja zu – auf jeden Fall mal beim darüber Nachdenken. Die Informationsfreiheit im Internet darf ruhig ihre Grenzen haben, und so lange diese solch vernünftige Grundlagen wie den Jugendschutz haben und nicht wie in gewissen Ländern dem Machterhalt der aktuellen politischen Klasse dienen, plädiere ich auch für eine Webzensur.

    Ich weiß nicht, wie konkret die Überlegungen von Frau Schavan schon sind, ob es eher eine spontane Äußerung angesichts der aktuellen Ereignisse war oder sie schon begonnen hat, sich über bedenkliche Seiten zu informieren. Wenn nicht, könnte ich ihr gleich ein paar wichtige Websites mit großer Reichweite vorschlagen, die mir zuletzt wegen exzessiver Gewaltbeförderung aufgefallen sind. Da sollte man mal über Maßnahmen nachdenken… Aber im Ernst:

    Verschiedentlich klang an, dass der Täter sich mit dem Amoklauf von Erfurt 2002 auseinandergesetzt hat. Und mir stellt sich schon die Frage, welche Wirkung die Berichterstattung auf „gefährdete“ Personen hat – immerhin winkt dem Täter so etwas wie bleibende Prominenz. Was Alan Posener hier „andeutet“, ist kein völliger Bullshit. Eine ethisches Dilemma, das meiner Meinung nach immer wieder im Zusammenhang mit Verbrechen auftritt, die keine rationalen Motive haben, sondern trieb- oder emotionsgesteuerte Wahnsinnstaten sind – wie wichtig ist die Erkenntnis „Ich bring sie nur auf dumme Gedanken!“?

    Ein erst so richtig absurdes Dilemma der Medien zeigt sich dann heute: Wie soll man mit aktuellen Bildern über die kritische Rolle der Medien vor Ort  berichten?!? Ob beim ARD niemandem aufgefallen ist, dass in „s(/S)ie sollten’s jetzt einfach lassen!“ (0:24) das „sie“ möglicherweise großgeschrieben gesprochen war? Dass mit „öffentlich-rechtliche Sender“ (0:40) nicht speziell die Kollegen aus Mainz gemeint waren?

    Bevor ich jetzt aber demjenigen, der morgen die Rezeption in Blogs kritisch bedenken wird, noch mehr Futter liefere, höre ich lieber auf…

  • Es geht um die Kunst!

    Was ich heute im Spiegel gesehen habe, hat das Künstlerherz in mir dann doch sehr empört: Die Galerie Nord in Berlin hat auf die Androhung von Gewalt von Muslimen reagiert und erst ein Bild abgehängt, dann die ganze Ausstellung vorerst geschlossen. Das betreffende Kunstwerk Objekt ist ein Plakat, auf dem über einem Foto der Kaaba die Worte „Dummer Stein“ stehen. Der Verfasser des Spiegel-Artikels, Michael Sontheimer, meint dazu denn auch, dass es die Künstler sich „ziemlich einfach gemacht haben“, die „Pflicht“ eines modernen Künstlers zur Provokation zu erfüllen.

    Dass dieses Plakat heute als Kunst gilt, ist für mich schwer nachvollziehbar. Die Verwandschaft der Worte „Kunst“ und „können“ hat damit nicht mehr viel mit der Praxis zu tun. Kann und darf Provokation das ausschlaggebende – und in diesem Falle alleinige – Argument sein, ein Objekt in die Kategorie ausstellungswürdiger Kunst einzureihen? Zerstört der Hausmeister, der die krakelige, aber provozierende „Ausländer raus!“ – Schmiererei an der Schulwand überstreicht, auch ein Kunstwerk?!? (mehr …)