Sonderbar, wie einfach wir glauben, was in Kettenmails steht…

Oder ist es gar nicht so sonderbar, da wir ja den Absender kennen und wissen, dass er schwer in Ordnung ist. Nur: Er hat das ja nicht geschrieben, sondern vor allem weitergeleitet, weil er jemandem vertraute, der es ihm schickte, weil er dem Absender vertraute, der…

Heute habe ich mal wieder eine Kettenmail mit einer Präsentation empfangen, die ich in verschiedenen Versionen schon ein paar mal bekommen habe.

Der „Gute Kern“ der Botschaft dieser Präsentation ist so in etwa: Wir brauchen uns nicht zu wundern, wenn schlimme Dinge passieren, nachdem unsere Gesellschaft so wurde, wie sie ist.“ In anderen Versionen klang noch an „…und wenn Gott keine Rolle in ihr spielt, ist er der letzte, dem wir für Katastrophen Vorwürfe machen dürfen.“ So weit, so gut.

Dieser Kern ist aber mächtig tief versteckt hinter Aussagen, die für mich schier unerträglich sind. Komisch ist alleine schon die Vereinnahmung – zu allen „negativen“ Entwicklungen heißt es  „und WIR sagten OK“. Wer ist WIR? Und was heißt „OK sagen“ – Zustimmen? Oder „nur“ etwas nicht verhindern, wogegen man ist?

Dazu kommt eine glatte Lüge: Der Sohn von Benjamin Spock habe Selbstmord verübt, der Sohn des Mannes, der gesagt habe, man solle ungezogenen Kindern nicht mehr den Hintern versohlen. Tatsächlich hat er sich in seinem Bestseller „The Common Sense Book of Baby and Child Care“ nur gegen das damals populäre Konzept gewandt, man dürfe Kindern keinerlei Zuneigung zeigen und regelmäßige Schläge (nicht nur als Strafe) würden zu einer guten Erziehung gehören. Keiner seiner Söhne beging Selbstmord, sie leben alle noch. Den Zorn der konservativen Kreise zog er sich wohl auch nicht wirklich mit seiner Erziehungstheorie zu, sondern mit seinem Einsatz gegen den Vietnamkrieg oder gegen Atombomben.

Dass die Präsentation einen sensiblen Umgang mit Sexualität anmahnt, finde ich ja noch hilfreich, dass ihre beiden anderen großen Werte aber sind, Kinder wieder durchprügeln zu dürfen  und Frauen wieder aus der Arbeitswelt heraus zu holen, gefällt mir sachte formuliert nicht sehr gut.

Ich bin wenigstens froh, dass aus diesem reaktionären Machwerk in dieser Version alle direkten Bezüge auf den Mann gestrichen sind, der sagte: „Lasset die Kinder zu mir kommen,“ – und dabei die Absicht hatte, sie zu segnen und nicht zu verprügeln – und über den Paulus schreibt: „In Jesus Christus ist nicht Mann und Frau.“

Im Betreff der Mail stand „Etwas zum Nachdenken“ – ich hoffe, viele Leser kommen bei diesem Nachdenken zum Ergebnis, die Präsentation lieber nicht weiterzuleiten.

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