Schlagwort: Linkspartei

  • Den Wohlstand verteidigen, den wir haben

    Am gestrigen Wahlabend waren auf diversen Fernsehsendern unterschiedliche politische Talkgruppen versammelt und betrieben Wahlkampf für den nächsten Wahlsonntag sprachen über die Wahlausgänge. Und überall ging es natürlich auch um die Frage, ob die Linkspartei nun ein möglicher Koalitionspartner für andere sei, in den Ländern, um die es gestern ging, oder auch im Bund, um den es in 27 Tagen geht. Bei Maybritt Illner im ZDF bezweifelte der FDP-Ehrenvorsitzende Hans-Dietrich Genscher dies, indem er behauptete, die Linkspartei unternehme „eine Fundamentalopposition gegen die Europäische Einigung„. Nun wäre es ja eine geradezu irrwitzige Behauptung, der Sozialismus sei eine Bewegung, die gegen internationale Zusammenarbeit gerichtet sei und sich gegen eine europäische Einigung wehre. („Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“). So wandte Jürgen Trittin von den Grünen auch prompt ein, wenn er sich Sorgen um Europa mache, sei seine Sorge um die europafeindliche Haltung der CSU größer als um die der Linken. Die Vertreterin der Linkspartei, Katja Kipping, wurde erst 8 Minuten später – nach allen anderen Teilnehmern der Runde – von der Moderatorin aufgerufen, und bekam Gelegenheit zu erwähnen, WARUM ihre Partei dem Vertrag von Lissabon nicht zugestimmt habe – zum einen, weil sie der dort geforderten Aufrüstung Europas skeptisch gegenüber stehen, zum anderen, weil sie sich eine Abstimmung des Volkes darüber gewünscht hätten – was daran nun europafeindlich sei, wolle sie doch von Herrn Genscher wissen. Dem fiel nichts besseres ein, als zu sagen, das Wort „Europafeindlich“ habe er nicht verwendet. Stimmt. Auch wenn er Herrn Trittin nicht wiedersprochen hatte, als der damit seine Aussagen zusammenfasste. Aber „Europafeindlich“ würde Herr Genscher ja nie sagen. „Fundamentaloppositionell“ klingt ja auch viel netter und eleganter. Und ganz nett und elegant machte er sie auch darauf aufmerksam, dass sie „wirklich etwas falsches gesagt“ habe: „Nämlich dass im Lissabon-Vertrag steht, dass wir aufrüsten sollen. Das ist nun wirklich eine Erfindung“. Oder zumindest eine Umformulierung, Herr Genscher. Denn wer würde in einen EU-Vertrag schreiben „Ihr sollt aufrüsten!“ Nein, da formuliert man das so: „Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern.“ (hier nachzulesen im zweiten Absatz) Dass von einer europäischen Armee die Rede ist, gibt Herr Genscher zu, findet aber, „eine Europäische Armee KÖNNTE auch einen Vorteil haben.“ Das Gespräch wandte sich darauf hin wieder dem eigentlichen Thema, der Regierungsbildung in den Ländern zu, bis Thomas Oppermann von der SPD nochmal erläuterte, warum eine Koalition mit der Linkspartei im Bundestag für die SPD ausgeschlossen bleibt – und sprach diesen „bemerkenswerten“ Satz: „Ich glaube, dass die Einbindung in die westliche Welt, in die Sicherungssysteme, in die Europäische Union, da gebe ich Herrn Genscher absolut recht, für uns, für die Möglichkeit, den Wohlstand zu verteidigen, den wir haben,“ hier stockte er kurz, merkte, was er da gerade sagte und ergänzte elegant „und auch friedensstiftend in der Welt zu wirken, von herausragender Bedeutung ist.“ Auf die Gefahr hin, dass Herr Genscher sagt „So hat das Herr Oppermann nicht gesagt!“: Wir brauchen die EU – und eine Europäische Armee – also zu dem Zweck, unseren Wohlstand zu verteidigen. Um unseren wohl verdienten, in Kolonialismus, neokolonialistischer Wirtschaft und mithilfe amerikanischer Marshallplan-Gelder hart erarbeiteten Wohlstand zu verteidigen, gegen die Schmarotzer, die ihn bedrohen. Für die Verteidigung unseres Wohlstandes geben wir in Deutschland mehr als fünfmal so viel aus wie für die Verbesserung des Wohlstandes in anderen Gegenden. Das klingt natürlich nicht so gut in den Ohren unserer Menschenfreundlich geprägten Wähler, also nennen wir es normalerweise „Friedensstiftend“. Mir waren nach diesem Satz von Thomas Oppermann zwei Dinge klar: Zum einen, dass ich mal wieder blogge, zum anderen, dass die Linkspartei bei weitem nicht die schlechteste Option am 27. September ist – grade auch weil die anderen vier „Großen“ sie wegen ihrer Haltung zum Militär als „politisch untragbar“ einstufen.